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the drones are coming

Pakistan: Warum Drohnen keine Option sind

In meinen Augen ist der Einsatz von Kampfdrohen keine Option um einen lokalen bewaffneten Konflikt zu stoppen. Es ist keine “Wunderwaffe”, es ist einfach nur ein weit verbreitetes Trägersystem - an einem modernen Kriegsschauplatz seit 10 Jahren nicht mehr wegzudenken - und keine chirurgische Präzisionswaffe.

In der Auseinandersetzung um Drohnen, bemerkte ich, dass in einigen Köpfen die Idee herumschwirrt, mittels “gezielten” Drohnenangriffen könne man regionale, bewaffnete Konflikte wie z.B. in Pakistan einschränken und maßgeblich steuern. Dabei geht es auch um die Annahme, man müsse nur die “ganz bösen” Figuren wie z.B. einige bekannte Talibankämpfer bzw. “AlQaidaführer” eliminieren und frei wäre der Weg zu einer demokratischen Zivilgesellschaft. Ein Konzept, welches mich sofort an Libyen oder Irak denken lässt. Und an das fatale Ergebnis.

Nicht nur weil ich das automatisierte Töten mittels Kampfdrohen als keine Option halte, die unsere Gesellschaft als “ultima ratio” für den “Kampf gegen den Terror” bereit halten sollte. (Siehe auch die Erklärung des CCC`s dazu.) Auch die Lektüre eines Buches über die Strukturen von Al-Qaida hat mich dazu veranlasst, nicht daran zu glauben - das der Einsatz von Drohnen das Schicksal Pakistans zum Guten wendet. Eine Stelle am Anfang des Buches hat mich aufhorchen lassen:

“(…) In den folgenden Monaten stellte ich fest, dass die unzähligen Artikel und Bücher , die zum “Krieg gegen den Terror” (…) erschienen, keine meiner Fragen beantworten. Die falschen Annahmen, die sich durchsetzen begannen, kamen mir immer bedenklicher vor, vor allem die Idee, bin Laden führe eine geschlossene und klar gegliederte Terrororganisation namens “al quaida”an. Jedes Indiz, das mir bei meiner Arbeit unter kam, widersprach der Vorstellung von “al quaida” als einem “Reich des Bösen” mit einem Mann an der Spitze, der alle Fäden in der Hand hält. Die Vorstellung hatte zweifellos etwas Tröstliches - denn man müsste dann nur den Mann und seine Handlanger vernichten, um das Problem aus der Welt zu schaffen -, ging aber völlig an der Wirklichkeit vorbei. Sie lenkt die Debatte darüber, wie der “Krieg gegen den Terror” zu führen sei, in eine falsche Richtung. Man ging nicht besonnen und vorbehaltlos den Ursachen des wieder auflebenden radikalen Islamismus auf den Grund; vielmehr beherrschten die “Experten für Terrorismusbekämpfung” mit ihrem militaristischen Vokabular von High-Tech-Waffen und Ausrottung die Debatte darüber, mit welchen Strategien der Krieg gegen den Terror zu führen sei, fast vollständig. Doch mit Ausrottung lässt sich möglicherweise das Symptom beseitigen, aber niemals(!) die ursächliche Krankheit behandeln(…)” s. 21 Jason Burke, AL-QAIDA

Es bringt in meinen Augen nichts die Marketingsprüche der Militärindustrie zu wiederholen - moderne Kampfdrohnen werden keine Leben retten, kein Land stabilisieren - sondern, die Schwelle zu bewaffneten Aggressionen weiter senken und es wird die gezielte Tötung von Menschen innerhalb und außerhalb von Kriegen bedeuten. Und das alles ohne Anklage, Verfahren und Urteil! Nur aus reinem Verdacht! Dies ist in meinem Verständnis weit außerhalb dessen was wir uns eigentlich unter Menschenrechte und demokratischen Rechtsverständnis vorstellen.

Natürlich wirkt der Abschuss einer Hellfire-Rakete durch eine Drohne verglichen mit einer mit Nägel gefüllten Bombe auf einem Marktplatz fast(!) chirurgisch präzise - trotzdem ist eben jedes vierte(!) Drohenopfer ein Zivilist. Es wäre also zynisch zu behaupten, das diese Kampfdrohnen “weniger” tödlich sind und “genauer” ihr Ziel treffen, wenn sich hinterher herausstellt, dass mindestens ein Drittel aller Opfer unbeteiligte Zivilisten – vor allem Frauen und Kinder sind.(oder eben auch 2 Bundesbürger). Zudem sorgt die Taktik, die Ziele mehrfach in kurzen Abständen zu beschießen dafür, dass sich Angehörige oder medizinisches Personal sich der bombardierten Ziel nicht nähern. Möglicherweise noch lebende Opfer können so nicht versorgt und evakuiert werden - zu groß ist die Angst selbst auch als Arzt zum Ziel dieser Anschläge zu werden. Zurück bleiben Familienangehörige, die jedes Mal bei dem Geräusch einer nahenden Drohne zusammen zucken - nicht wissend, aber durchaus annehmend, das nächste Opfer zu sein. Familienmitgleiter die sich nicht trauen einer Beerdigung beizuwohnen, weil auch diese vermehrt zu Zielen von Bombardierungen wurden. Einfache Menschen die nicht nachvollziehen können, was sie so verdächtigt macht, dass sie Ziel des US-Militärs werden könnten - und so fürchten lässt, dass sie eben jederzeit das nächste Opfer einer Rakete sein könnten, sobald ein leises Surren am Himmel ertönt. (Aber welcher Selbstmordattentäter lässt sich bitte von Drohnen abschrecken?)

Und solange dieser in meinen Augen “innerpakistanische Konflikt” anhält, sollte man auch nicht noch weiter mit Drohnen “Öl ins Feuer” gießen. Und wenn dann wenigstens kein “geheimer Krieg” von deutschen Boden aus !

Was mich bei der ganzen Diskussion besonders wundert ist, wie Menschen darauf kommen, dass ein Gerät namens (bzw. “frei” übersetzt), “Globaler Kriegshetzer”, “Sensenmann” oder “Beutegreifer” so etwas wie stabile Verhältnisse in einem Land schaffen kann ? Eine Ausweitung des Einsatzes von “Friedensdrohnen” in Pakistan wird dazu führen dass in erster Linie die Bevölkerung weiter terrorisieren wird - was sie folglich in die Arme der Extremisten treibt.( Schon jetzt gilt das Reizwort “Drohne” und die damit verbundenen Mordoperationen als bestes Rekrutierungstool für den stetig wachsenden Antiamerikanismus; bekannter als das menschenverachtende Gefangenenlager in “Guantanamo”.) Was ist genau unser Nutzen, wenn die Rüstungsindustrie anfängt, autonome Killerroboter zu basteln und wir damit eine riesige Rüstungsspirale in Gang setzten, die das Töten automatisieren wird? Wird dadurch das Töten “humaner”, wenn wir es einfach einer Maschine überlassen? Mit Hilfe der (zukünftig automatisiert fliegenden) Drohnen benötigt man keinen teuer ausgebildeten Piloten mehr. Kein Pilot also, der vielleicht zögert, wie befohlen eine Bombe auf eine Ansammlung von Zivilisten zu werfen, die neben einem geklautem Tankwagen stehen. Kein Soldat am Abzug mehr, der auf Grund seines Gewissens den Schießbefehl auf Steine werfende Jugendliche untersagt. Kein Soldat der seinem Gegner mehr in die Augen sehen muss, bevor er mit einer Kugel den Kopf des Widerstandskämpfer platzen lässt. Oder kein Soldat der genau sieht, ob es eben nur ein Kind ist, welches mit Stöcken spielt. (man wird mir zustimmen müssen, dass die Größe einer Person aus der Vogelperspektive schlecht auszumachen ist; genauso wenig wie man von weitem sehen kann, ob sich in der Tasche Waffen oder eben nur ein Bündel Reisig befindet;)

Nur noch Sensoren, Algorithmen und vielleicht noch ein gelangweilter Untermajor in einem klimatisieren Raum weit ab jedes blutigen Schlachtfeldes der ab und zu ein Blick auf den Monitor wirft, wenn die Steuerung ausfällt. Ein Militärangestellter, der nach seiner Schicht zu Hause zu seinen Kindern gehen kann ohne sichtbares Blut an den Händen (aber den Überwachungsbildern im Kopf). Schießen ohne Vorwarnung, ohne Schrecksekunde und Gewissen! Ohne Bezug zur wirklichen blutigen Realität. Und vor allem ohne eigene Verluste, die kritische Stimmen im eigenen Land laut werden lassen würden!


Mir ist durchaus bewusst, das in Pakistan (oder auch Libyen) gefährliche Extremisten herumlaufen, die bestialische Verbrechen begehen. Aber man darf gleichzeitig nicht vergessen, das in Pakistan eine korrupte Elite herrscht, die die Verhältnisse “ausnützt” und ein trauriges Wechselspiel zwischen “SIS-MI-Taliban-Terror” und “Anti-Terrorkampf” auf Kosten der Bevölkerung spielt!

Eben diese Terroristen hören aber mit ihrem Handeln nicht auf, nur weil da dann irgendwelche “global hawks” in der Luft sind, die minderjährige Schafhirten niedermähen oder Hochzeitsgesellschaften sprengen. Und außerdem frag ich mich mit welchem Recht man sich erlaubt, auch diesen Menschen das Recht auf einen fairen Prozess zu verweigern. Wie will man eine friedliche Zivilgesellschaft in dem bitterarmen Pakistan aufbauen? Damit, dass man erst mal jedem der wie ein Taliban aussieht oder in der Stammesgesellschaft etwas zu sagen hat per Fernsteuerung einen Kopfschuss gibt? Bis keiner mehr herumläuft der eine Waffe halten kann und damit die Macht der Zentralregierung in Frage stellt??

Soll damit die Macht des Parlaments gestärkt werden oder geht es hier auch um Rüstungsaufträge? Nochmal: Selbst die SS-Schergen haben in Nürnberg n Verfahren bekommen! Heute unterschreibt der Friedensfürst Obama am "Terrortuesday" persönlich den Abschussbefehl. I`m really good in killing people.”

Heute heißt es eben: dein Pech, wenn dein Kind einem Terroristen zum Verwechseln ähnlich sieht! (siehe dazu "Der Kategorische Imperativ" )

Wie kann man auf der einen Seite von Verbrechen gegen die Menschlichkeit sprechen, wenn man gleichzeitig die “gezielte Tötung” von Menschen fordert. (ja “böse” Menschen; aber selbst ein Eichmann und ein Barbie haben einen Prozess bekommen) Wie kann man sich ehrlich über abgetrennte Körperteile bei einem Bombenanschlag echauffieren, wenn man das gleiche für seine “Feinde” als Endlösung fordert ? Verliert man nicht sein menschliches Antlitz, jedes Gespür für Menschlichkeit, wenn man jemand anderem sein Existenzrecht abspricht??? artwork

Bedenke, vielleicht geht es nur darum einen Konflikt weiter zu befeuern, der egal mit welchen militärischen Mitteln nicht zu gewinnen ist ?! [.de als waffenexporweltmeister freut sich über Aufträge] Weil in diesem Konflikt es die eigenen Kräfte sind, gegen die man kämpft…, ja die eigenen Brüder sind, die man erst radikalisierte um sie für Anschläge im Nachbarland zu benutzen und deren Einfluss nun wieder zurückgedrängt werden soll.

Vielleicht hilft ja ein Blick in Richtung z.B. des Friedensprozesses in Nordirland, wo es nach einem langem und heftigen Konflikt zu ruhigen Verhältnissen gekommen ist, eben weil moderate Kräfte zu sprechen begonnen haben - und nicht weil man die Köpfe der Terrororganisationen hat rollen lassen….

Die Vorstellung, so mit ein paar gezielten Drohnenangriffen die Ordnung in Pakistan wieder herstellen zu können geht völlig an der Realität vorbei. Denn in meiner Vorstellung erzeugt jeder Drohnenangriff mehr Opfer, mehr Leid und spielt den Extremisten direkt in die Hände.(mal abgesehen davon das diese Angriffe mit sowas wie Menschenrechten kaum vereinbar sind). (siehe das ARD-Dossier dazu: Der Krieg, der immer neue Feinde produziert )

Der clandestine Jihadkämpfer sehnt sich danach einen Märtyrertod zu sterben , ist oft ersetzbar und untersteht meist keiner eindeutigen Befehlskette - sein Tod stört also keine (nachwachsenden) Strukturen und der Kampf kann ohne weiteres fortgesetzt werden. Und insgesamt ist den meisten islamistischen Extremisten “bewusst”, dass ihre Ziele in weiter Ferne liegen, sie (noch) keine Mehrheit besitzen und ihr “Freiheitskampf” noch mehrere Generationen beschäftigen wird - ein langer Atem gehört als Dschihadist also zur Grundausstattung.

Ich stell mir das gerne als vielköpfige hydra vor, der man einen Kopf abschlägt und im selben Moment 2 neue Köpfe nachwachsen. Schließlich ist der “Terror” nur eine Strategie..» Der “Kampf gegen den Terror” ist somit laut Definition ein bewaffneter Konflikt gegen eine “bestimmte Kriegsstrategie” … o.0 *klingt doch irgendwie schräg!??* Eine Strategie die zudem sehr erfolgreich ist und (meist als Teil der Strategie) den Staat als Gegenspieler zwingt, ebenfalls radikalere Mittel zu wählen (die wiederum von der Bevölkerung als unzumutbare Repression gesehen wird und somit den Extremisten in die Arme(e) fällt ).

Und bei der ganzen Diskussion darf natürlich nicht vergessen wie der Bilderberger Brzezinski bin Laden als aufrichtigen Kämpfer für die richtige Sache protegiert hat, wie durch pakistanische und amerikanische Dienste bestimmten Gruppierungen erst ihre Gründung ermöglicht wurde (wie hier in .de mit den neoNazis) und möglicherweise immer noch Verbindungen bestehen.. Dazu noch eine absolut korrupte Elite, Bodenschätze, uralte Grenzstreitigkeiten, die schwer lastenden Überreste der Kolonialzeit und wie in den meisten muslimischen Staaten gibt es eine jugendliche Mehrheit, die auf ihre Chance wartet, die alte Generation an der Macht abzulösen… Und diese Eliten verwenden dann auch nur allzu gern das Label “alquaida” wenn die internationale Empörung über abgemetztelte Regierungsgegner ausbleiben soll.

Das mir als vernünftig denkenden Menschen keine bessere Idee einfällt, als das wir eben die Drohnenabschüsse eben nicht ausweiten dürfen (sondern unterlassen müssen) - zeigt in meinen Augen keine Hilflosigkeit ; sondern eigentlich erfordert es heute Mut aus dem westliche Gedankenzirkus auszubrechen: man müsse nur lange genug treten, bomben und Napalm verteilen, - dann werden diese “wilden” schon wieder zur Vernunft kommen. [Das ist für mich tiefstes 18./19.JH. - man sieht die unrühmliche Geschichte der Kolonisation hat immer noch Auswirkungen..bzw. wir scheinbar nichts gelernt ]

Ich persönlich denke, dass die einzig erfolgreiche Strategie, die ist, zu ergründen welche Ursachen eben dieser Radikalismus hat und warum er die Menschen zur Waffe greifen lässt. Wenn man halt für bessere Lebensumstände, für demokratische Verhältnisse, Autonomie usw. sorgt - kann man in meinen Augen den Zulauf zu radikalen Gruppen entscheidend schmälern. (wie in .de: da geht es den Menschen auch viel zu gut, als dass sie sich zu tausenden auf die Straße wagen würden). In den Magrebstaaten versuchen sie es mit Geistlichen die den islamischen Kämpfern erklären, das das Töten unschuldiger sie eben nicht ins Paradies bringt - also mit einem theologischen Ansatz.(für mich ist das mit der Religion allerdings nur vorgeschoben.. bei einer anderen Sichtweise landet man nur wieder beim KampfderKulturen-Schmarrn;)

Und soweit ich verstanden habe, hat sich Pakistan dieser radikalen Kräften auch bedient, um seine seine Nachbarn zu destabilisieren (Kaschmir) und dies nach eigenem Vorteil ausgenutzt. Die engen Verbindungen zwischen dem übermächtigen Militär und angeschlossenen Diensten in Pakistan und der Mudschaheddinbewegung in Afghanistan ist in gewissermaßen ein Bumerang, eine Art Selbstläufer der die Demokratie in Pakistan an den Rand des Abgrund weht…